Zwei-Stern-Eingeweide und Sprachlosigkeit: So isst Istanbul

Weil es Die Cuisinière nicht anders wollte, findet Istanbul und dessen kulinarische Vermessung eine Fortsetzung – nicht nur im besten und teuersten Lokal der Türkei, sondern auch mit Lammschwanzfett und gegrilltem Lammdarm.

Wolfgang Fischer & Jacqueline Pfeiffer
Jacqueline Pfeiffer & Wolfgang Fischer
Nach der Istanbul-Extravaganza des Connaisseurs wieder vereint: Wolfgang Fischer und Jacqueline Pfeiffer

„Nachdem dir die Fotos über dem Bosporus aus dem „Chacha Balik“ so gut gefallen haben und du gar nicht so sehr auf das Essen geachtet hast, hier nochmals Bosporus, wo vor allem die Lage und der Blick beeindruckend sind“, ätzt Der Connaisseur. „Doch, aber du hast mich mit dem gebratenen Lammschwanzfett so irritiert“, rekurriert sie auf seine Beschreibung des ohnmächtigen Imam vom letzten Mal. „Ich kann noch immer nicht glauben, dass du das bei Maksut Askar gegessen hast!“

Anhang-Details hafen-mit-Abendstimmung-in-Tarabya
Anhang-Details hafen-mit-abendstimmung-in-tarabyaPrivat

Die Cuisinière bezweifelt seine kulinarische Experimentierfreudigkeit??

Er ist kurz empört. Findet sich aber rasch wieder. Also: Das „Kiyi Restaurant“ liegt im Istanbuler Vorort Tarabya, allerdings am europäischen Teil des rund 30 Kilometer langen Bosporus, und bietet ebenfalls ordentliche türkische Küche, wie sie es im Mittelmeer-Raum oft gibt, allerdings auch hier zu Preisen, die sich sehen lassen können. Das Kilo Fisch um die 120 Euro, dafür sitzt man unter der türkischen Schickeria am Yachthafen. Wer das will, ist hier richtig. Die Cuisinière denkt: „Fisch ist nicht Fisch.“ Er denkt: „Na geh!“

Steinbutt der ZweitePrivat

Weil der Ausblick ein Thema war: Das „völlig zurecht mit einem Stern bedachte „Mikla“ ist und isst wirklich atemberaubend“. Und bietet einen unglaublichen Rundumblick über die ganze Stadt und ihre Gewässer. Die unter „Neue anatolische Küche“ firmierende fabelhafte Linie rückt – zumindest zu Beginn, bevor der Appetit ruft – in den Hintergrund.

Sehr beeindruckend… man könnte sagen eine Stadt, die niemals schläft

Und ist mit ihren 120 Euro für ein Menü wohlfeiler. „Und weniger überkandidelt?!“, erkennt Die Cuisinière. „Eine wirklich spannende Küche – 2022 unter den „World’s 50 Best Restaurants“ – und einen ebensolchen Weinkeller im 16. Stock des ‚Marmara Pera Hotels'“, schwärmt er weiter. Das „Mikla“ im zentralen Stadtteil Beyoglu bezeichnet Der Connaisseur in jedem Fall als überaus empfehlenswert. „Nicht nur vom Ausblick, sondern auch vom Preis-Leistungs-Verhältnis“ sein Favorit!

Geräucherte Artischocke, Brokkoli, Orange, Artischocken-Essig, Mikla
Geräucherte Artischocke, Brokkoli, Orange, Artischocken-EssigPrivat
Gegrillter Fisch, Spargel, Gurke, Koriander, Mikla
Gegrillter Fisch, Spargel, Gurke, KorianderPrivat
Rotfeuerfisch, Meerwasser, getrocknetes Tomatenmark, Mikla
Rotfeuerfisch, Meerwasser, getrocknetes TomatenmarkPrivat

Beim türkischen „Koch des Jahres“
Mitten im Business-Hochhaus-Viertel Istanbuls liegt das mit Zwei Sternen ausgezeichnete „Turk Fatih Tutak“, benannt nach dem Chef, der wohl zurecht öfter „Koch des Jahres“ war. Das lässt die „Köchin des Jahres“ von seinerzeit aufhorchen. Als Die Cuisinière dann noch vernimmt, dass die Desserts mitten im laufenden Küchenbetrieb eingenommen werden, ist sie vollends überrascht. „Mitten im Betrieb?“, fragt sie ungläubig. „Ja, quasi in der Hochsaison“, bestätigt Der Connaisseur und zeigt einige Fotos.

Küchenparty in der Patisserie, Mikla
Alles spiegelt alles blitztPrivat

„Also keine Schreiereien und wirklich kommunikative Kochlöffel?“, frägt sie noch immer baff. „Hat sich zwar in den letzten 10 bis 20 Jahren fast überall verbessert, aber der Einblick in die Eingeweide einer Zwei-Stern-Hütte ist schon bemerkenswert“, lässt Die Cuisinière „tief in ihre jahrzehntelange Erfahrung blicken“; gerne verwandelt er den Elfer. „Das mit den Jahrzehnten hättest du dir sparen können!“, wirkt sie kurz beleidigt. „Das zeigt nur deinen großartigen Hintergrund und die Mega-Erfahrung!“, versucht er eine Wiedergutmachung, „du machst ja selbst auf deiner Homepage kein Geheimnis daraus!“

Blick in die offene Küche, Mikla
Bühne frei für das DessertPrivat

„Jedenfalls eine freundliche, konzentrierte Atmosphäre ohne Tam-Tam“, lenkt Der Connaisseur weiter von den Jahrzehnten ab. Es macht natürlich schon „einen Unterschied, wenn der Akt fix im Serviceplan eingebaut ist, lässt sie in ihre „große Praxis“ blicken. „Da hab ich auch schon anderes erlebt“, verkündet Die Cuisinière so nebenbei.

Dieses Geheimnis lüftet sie – vorerst(?) – nicht.

Blick in die Küche mit Fischkarkassen
Die Cuisinière versucht den eingefangenen Blick zu verstehenPrivat

Die feurigen 13 Gänge (um 300 Euro – das Lokal war voll und man muss Wochen vorher reservieren) zeigen ganz große Küche. Fatih Tutak, der namensgebende Chef des Restaurants, spielt mit Fermentation und Trockenalterung, zarter Säure und Raucharomen. Natürlich mit allen Zutaten feinster Qualität. „Seine Lehr- und Wanderjahre in Hongkong, Singapur, Tokio und schlussendlich in René Redzepis „Noma“ hinterließen fruchtbare Spuren“, gibt Der Connaisseur an. „Du und – wenn auch nur ‚leicht‘ – Säure?? Und das nach dem Lammschwanzfett?“ Der Cuisinière fehlten tatsächlich die Worte!

Dieses Geheimnis wird er nie lüften!

Menü Turk Fatih Tutak
Der Beweis: 13 Gänge im Fatih TutakPrivat

Und verweist auf die Speisekarte!

Als er dann auch noch die Fotos präsentiert, ist selbst Die Cuisinière – erneut – sprachlos.

Aged Beef, Bulgur, KaviarPrivat
Doppelt gekochte Hühnersuppe, Yuzu-Öl, Vermicelli, Turk Fatih Tutak
Doppelt gekochte Hühnersuppe, Yuzu-Öl, VermicelliPrivat
Mosaik vom türkischen Gemüse Turk Fatih Tutak
Mosaik vom türkischen GemüsePrivat
Pita, Trabazon-Butter, Bitlis Hinan Honig, Turk Fatih Tutak
Pita, Trabazon-Butter, Bitlis Hinan HonigPrivat
Lammkoteletts, gegrillter Lammdarm, frittierter "Pfefferoni", Turk Fatih Tutak
Lammkoteletts, gegrillter Lammdarm, frittierter "Pfefferoni"Privat
Türkische "Kärntner Nudel", Turk Fatih Tutak
"Von Mama" – schon wieder eine "Kärntner Nudel"Privat
Getrocknete HängefischePrivat

Als sie um ergänzende Erläuterungen ersucht, deutet Der Connaisseur verklärt auf die Speisekarte. „So ergriffen, dass du auch sprachlos warst? Oder war der Wein so gut?“, wird sie schon wieder gemein.

„Schon“ findet er beim Thema Wein wieder Worte und Erinnerung, „aber um 135 Euro für die Flasche bleibt man arid!

Das wiederum lässt sie noch sprachloser zurück! Aber dafür hätte auch schon der offenbar kommentarlos vom Connaisseur verspeiste „gegrillte Lammdarm“, wie sie am Foto sofort erkannte, gereicht!!

Weinschränke soweit das Auge reicht im Restaurant Turk Fatih Tutak
Atmosphäre im noch leeren "Turk Fatih Tutak": wandfüllende WeinschränkePrivat

„Das könnte überall sein“, fängt sich Die Cuisinière langsam wieder.

Und man weiß nicht ganz genau, wie sie das meint. „Gibt es nicht etwas mehr für das Gemüt?“, erläutert sie. „Wirklich?!! Aus deinem Mund!“, macht jetzt er sich Sorgen. „Geht bei dir langsam das Schauen über das Essen?“

Aber er will nicht unfreundlich sein, kommt auch diesem ihrem Wunsch nach und berichtet von einer „Landpartie“: „Hervorragendes Essen, freundlichstes Service, nachgerade billiger aber ausgezeichneter Wein! Und wieder ein Traumblick!“, antwortet Der Connaisseur über die Bande für ihr Gemüt.

Ein Ausflug ans Wasser

Venezianisch anmutendes Anadolu kavagi, Yosun
Venezianisch anmutendes Anadolu kavagiPrivat

Stimmung und Lage in jedem Fall vergleichbar, quasi „same same but different“ zu den bisherigen Lokalen „mit Blick“, halt in der ruralen Variante: Am Ausgang des Bosporus, mit Sichtweite aufs Schwarze Meer, liegt das Dörfchen Anadolu kavagi. Im „Yosun“ sitzt man auf der Terrasse direkt am Wasser, trinkt das großartige Achterl Wein um 2,50 Euro und isst ausgezeichnete Mezzes.

Idylle am Ausgang des Bosporus, Yosun,
Idylle am Ausgang des BosporusPrivat

Dazu komme, dass diese „Idylle mit etwas Finesse mit den Istanbuler Vaporettos um 2 Euro zu erreichen“ sei, schwärmt Der Connaisseur. „Mit dem Bonus, entlang des Bosporus all die großartigen Villen aus nächster Nähe zu sehen.“ „Möchte auch“, stößt sie hervor …

Sandstrände ohne Overtourism, Anadolu Kavagi, Yosun
Sandstrände ohne OvertourismPrivat

„Und dann ist man in einer anderen Welt?“, fragt Die Cuisinière. „Ja, keine Stunde von der Millionen-Metropole entfernt!“, bestätigt Der Connaisseur. „Und sogar mit eigenen Sandstränden!“

Dieser Artikel ist zuerst auf NewsFlix erschienen.

Lokale

Diese Restaurants haben wir in dieser Kritik besucht:

Kiyi Restaurant

Tarabya, Haydar Aliyev Cd. No:186 D:A, 34457 Sarıyer/İstanbul,

Mikla

The Marmara Pera, Asmalı Mescit, Meşrutiyet Cd. No:15, , 34430 Beyoğlu/İstanbul

Turk Fatih Tutak

Cumhuriyet, Yeniyol Sokak, 34440 Şişli/Istanbul
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